„Mediterranean Dialogues“

Euroclio-Jahrestagung 2018 in Marseille

Geschichtslehrkräfte aus mehr als 40 Nationen treffen, Vorträge, Workshops und Diskussionen darüber, wie man bei Jugendlichen Lust auf Geschichte weckt – die Geschichte nicht nur des eigenen Landes, sondern auf die Geschichte Europas und der Welt. Seit mittlerweile 25 Jahren bringt Euroclio, die Dachorganisation der europäischen Geschichtslehrverbände mit Sitz in Den Haag, Geschichtslehrer, Ausbilder, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Dozenten sowie Interessierte der schulischen und außerschulischen Bildung zusammen. Seit ihrer Gründung ist die Arbeit in den jungen Demokratien Mittel-, Süd- und Osteuropas ein Schwerpunktfeld, wobei sich Euroclio seit einigen Jahren besonders auf dem Balkan engagiert, die Menschen zusammenbringt, Unterrichtsmaterialien entwickelt und verbreitet. Eine wichtige Rolle spielt darüber hinaus auch der Austausch über Kontinente hinweg, vor allem mit (Nord)Afrika und dem Nahen Osten.

Die Jahrestagung 2018 mit dem Titel „Mediterranean Dialogues“ in Marseille vom 21.-26. April 2018 nahm erneut die Beziehungen zwischen Orient und Okzident in den Fokus. Kaum eine Stadt ist hierzu besser geeignet als Marseille, die älteste Stadt Frankreichs und seit langem Schmelztiegel zwischen nördlichem und südlichem, westlichem und östlichem Mittelmeer.

Die sechstägige Konferenz bot vielfach Anlass zum Austausch zwischen Geschichtslehrern und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen im Bereich der historisch-politischen Bildung aus aller Welt, sowohl auf den Podien als auch in den Kaffeepausen oder während der Mahlzeiten. Heikle Themen wie etwa der Algerienkrieg wurden dabei nicht ausgespart, leiteten auch kontroverse Debatten ein, etwa um die aktuelle israelische Politik oder den Umgang arabischer Länder mit dem Holocaust (dieser wird in vielen muslimischen Ländern im Unterricht nicht thematisiert!). Ein oft diskutiertes Thema war auch die aktuell in vielen Staaten zu beobachtende Tendenz zu einer nationalistischen Verklärung der Geschichte in Heroen- und Opfermythen.

Insbesondere die vielen parallelen Workshops boten den Kolleginnen und Kollegen gute und oft direkt umsetzbare Anregungen zur Weiterentwicklung des eigenen Unterrichts. In den vorgestellten Überlegungen und Unterrichtseinheiten spielten die für Euroclio zentralen Konzepte wie Multiperspektivität, Menschenrechte, Demokratie- und Dialogförderung eine Schlüsselrolle. (vgl. https://euroclio.eu/2015/12/euroclio-manifesto-high-quality-history-education-now-available-7-languages/)

In meinem eigenen, gut besuchten Workshop (Treating Controversial Subjects as Controversial – indoctrination, historic “facts“, multiperspectivity and post-modern “anything goes“) diskutierten in einer Kleingruppe beispielsweise ein Nordire, ein Tunesier und eine Israelin über die Schwierigkeiten, die Ansprüche an einen multiperspektiven, kontroversen und zugleich von Empathie und Toleranz geprägten Geschichtsunterricht praktisch umzusetzen.

Wieviel Arbeit auch im 21. Jahrhundert noch vor uns liegt, zeigten bedrückende Geschichten u.a. aus Ungarn, Kroatien und Nordafrika am Rande der Tagung. Dass diesmal im Unterschied zu vorherigen Konferenzen nur wenige Polen, kaum Briten und überhaupt keine Türken gekommen sind, spricht für sich. Deutschland war mit nur sechs (von rund 200) Teilnehmern im Übrigen auch nicht stark vertreten. Deshalb abschließend der Appell: Abonnieren Sie den Euroclio-Newsletter! Nutzen Sie die Materialbank Historiana (www.historiana.eu ) und beteiligen Sie sich an ihrer Weiterentwicklung. Nutzen Sie die Möglichkeiten des ungemein anregenden Austausches und die Chancen des Aufbaus eines internationalen Netzwerkes, die Euroclio ermöglicht (viele Tagungen werden von Erasmus+ unterstützt).

Ulrich Schnakenberg, Duisburg  

Neuer Euroclio-Präsident Miro Mladenovski aus Mazedonien

Bericht zur General Assembly 2018

Die Euroclio-Jahrestagung wird immer von einer Generalversammlung der Delegierten mit Abstimmungen und Vorstandswahlen abgeschlossen. Bundesvorsitzender Bongertmann führte die vier deutschen Stimmen (nach der Mitgliederzahl berechnet). Vorgetragen wurden die Jahresberichte und der Finanzbericht (Haushaltsvolumen ca. 744 T €, wozu die Mitgliedsbeiträge und Gebühren nur 18 T € beitragen). Dabei war diesmal über eine zeitraubende Auseinandersetzung mit der Finanzkontrolle der hauptfinanzierenden EU zu referieren, die über die Ausschreibungen im Schwarzmeer-Projekt entstanden war. Noch ist nichts entschieden, im schlimmsten Fall sind Rückzahlungen fällig, die aber keinesfalls zur Insolvenz führen werden. Wegen dieser Arbeiten konnte noch kein neuer Tagungsort 2019 festgelegt werden. Der alte Vorstand wurde entlastet.

Der neue Präsident im fünfköpfigen Vorstand ist Mire Mladenovski (Mazedonien), der auf verdienstreiche Lóa Steinunn Kristjánsdóttir (Island) gefolgt ist, die die Höchstzeit der Vorstandsarbeit erfüllt hat. Der Vizepräsident ist Paolo Ceccoli (Italien). Außerdem sind vertreten Riitta Mikkola (Finnland), Sinéad Fitzsimons (Nordirland) und Frank van den Akker (Niederlande). Um als junger Vater mehr zu Hause sein zu können, ist der langjährige Geschäftsführer Jonathan Even-Zohar nach der Tagung aus der Geschäftsstelle in Den Haag ausgeschieden. Die Stelle wird neu ausgeschrieben.

https://euroclio.eu/2018/05/loa-steinunn-kristjansdottir-ends-term-as-president-of-euroclio-succeeded-by-mire-mladenovski/

Ulrich Bongertmann, Rostock