Beruforientierung statt Geschichte? Stellungnahme des Landesverbandes Berlin

Berlin: Berufsorientierung statt Geschichte?

Oktober 2025: In Berlin droht die faktische Kürzung des historisch-politischen Unterrichts in der Sek. I, da die Schulen selbst aus ihren Kontingenten Stunden für die Berufsorientierung „freischneiden“ sollen. Die Berufsorientierung wird aber gewiss nicht zu Kürzungen in Mathematik oder Englisch führen, sondern pragmatisch an den meisten Schulen den Fächern Politik oder Geschichte zugeordnet werden – beides wäre fatal. Siehe Stellungnahme des Landesverbandes Berlin.

Mit Sorge betrachtet der Bundesverband die Diskrepanz zwischen das Fach Geschichte wertschätzenden Erklärungen aus der Politik und dann stattfindenden strukturellen Maßnahmen, die dem in der Realität widersprechen. Im Mai 2024 hatte Senatorin Günther-Wünsch auf der DDR-Gedenkstättentagung in Erkner in meinem Beisein ihre große Wertschätzung der Rolle des historisch-politischen Unterrichts zum Ausdruck gebracht – nun sehen wir jedoch die Gefahr, dass in Berlin selbst dieser Fachunterricht faktisch unter Kürzungsdruck gerät. Historisches Bewußtsein, Faktenchecker- und damit auch Demokratiekompetenzen brauchen aber genügend Unterrichtszeit und fundierten Fachunterricht!“ (Niko Lamprecht, Bundesvorsitzender VGD)

Stellungnahme des Landesverbandes Berlin

Stellungnahme zum Informationsschreiben vom 02.10.2025 zum Erlass der Verordnung zur Änderung der Sekundarstufe I-Verordnung (Sek I-VO). An die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie

Sehr geehrte Frau Senatorin Günther-Wünsch,

der Berliner Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer begrüßt die Förderung der Berufsorientierung generell und auch an den Gymnasien und sieht hier einen wichtigen Baustein in der Entwicklung und Ausbildung unserer Schülerinnen und Schüler.

Die vorgelegte Verordnung der Änderung der Sek I-VO überlässt es jedoch erneut den Schulen, eigene Lösungen zu finden, die Berufsorientierung umzusetzen. Kollegien müssen eigenständig entscheiden, an welchen Pflicht- oder Wahlpflichtunterricht die eine Wochenstunde Berufsorientierung in der 9. Klasse angebunden wird. Die Einführung der verpflichtenden Unterrichtsstunde Berufsorientierung bei Beibehaltung der Stundentafel entspricht der Parole, dass die mit dieser Zusatzlast versehenen Schulen auch noch eine Selbstbeschneidung vollziehen müssen. Sie bedeutet zwangsläufig, dass bei Fächern gekürzt wird – dies wird in aller Regel den politisch-historischen Bereich betreffen, da kaum eine Schule themenentferntere Fächer wie Englisch oder Mathematik für die Berufsorientierung beschneiden wird.

In Anbetracht der bereits seit Jahren andauernden Marginalisierung und Kürzung im Bereich der Gesellschaftswissenschaften kann diese erneute Kürzung auf keinen Fall im Fach Geschichte durchgeführt werden. Der gemeinsam mit dem Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands beschlossenen Erklärung vom 18.09.2025 in Bonn möchten wir Nachdruck verleihen: Geschichtsunterricht ist unentbehrlich für die Demokratiebildung und muss als eigenständiges Fach in allen Schulformen unterrichtet werden. Der Rahmenlehrplan schreibt für die Jahrgangsstufe 9 die Beschäftigung mit „Demokratie und Diktatur“ vor (Erster Weltkrieg, Weimarer Republik, Ideologie und Herrschaft des NS, Zweiter Weltkrieg und Holocaust, Widerstand gegen die NS-Herrschaft und Erinnerungskultur). Um diese zentralen Themen unterrichten zu können, braucht es eine angemessene Unterrichtszeit, was bedeutet, dass das Fach Geschichte in der Sek I in allen Klassenstufen im Umfang von mindestens zwei Wochenstunden unterrichtet werden muss. Dies ist in Berlin bereits jetzt kaum der Fall, eine weitere Vermischung der Fächer widerspricht einer angemessenen Zeit und einer gesicherten Fachlichkeit. Fachlehrkräfte müssen Geschichte unterrichten.

Geschichte ist ein zentrales Demokratiefach, Schülerinnen und Schüler sollen an den historischen Inhalten Denk- und Arbeitsweisen des Faches erlernen und den öffentlichen Umgang mit – sowie politischen Missbrauch von – Geschichte reflektieren können.

Wir fordern daher, dass tragbare Lösungen gefunden werden, die den Bereich der historisch- politischen Bildung nicht weiter beschneiden, denn im Sinne nachhaltiger Demokratiebildung in Berlin muss das eigenständige Schulfach Geschichte zweistündig erhalten bleiben!

Landesverband Berlin des VGD e.V. Lea Honoré (Vorsitzende) und Niels Wienrich (stellvertretender

Vorsitzender)

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