VGD-Bundesfortbildung „Jüdisches Leben in Deutschland in Geschichte und Gegenwart“ am 27. Juni 2025 in Berlin
Am Freitag, 27. Juni 2025, 15:00 Uhr – 18:00 fand in der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Kronenstr. 5, 10117 Berlin eine VGD-Fortbildung zum Thema: „Jüdisches Leben in Deutschland in Geschichte und Gegenwart“ statt, die von der Arbeitsgemeinschaft zur deutsch-jüdischen Geschichte organisiert worden war.
Das Thema hatte im Sinne historisch-politischer Bildung zur Zeit eine hohe Konjunktur – vor allem wenn man den seit Jahren in Deutschland wieder ansteigenden Antisemitismus – vor allem auch in Berlin – betrachtet (vgl. bspw.: https://www.welt.de/politik/deutschland/article256204012/antisemitismus-in-hauptstadt-berlin-ist-hotspot-antisemitischer-straftaten-das-sind-die-zahlen.html und https://www.tagesspiegel.de/berlin/tiefer-einschnitt-deutlich-mehr-antisemitische-straftaten-in-berlin-13373119.html ):
Die Zahl antisemitischer Straftaten von 2023 bis 2025 ist in Berlin stark angestiegen. Eine Zäsur war der Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Seitdem gibt es eine deutliche Zunahme der antisemitischen Straftaten, besonders bei den Zahlen der Fälle, die im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt stehen: 2023 wurden allein in BERLIN 901 antisemitische Delikte erfasst, 2024 stieg die Zahl auf 1823 antisemitische Delikte, hat sich also in einem Jahr mehr als verdoppelt.
Vor allem das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen ist der Statistik zufolge massiv angestiegen: von 88 im Jahr 2023 auf 587 im Jahr 2024. Im vergangenen Jahr stufte das Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser (SPD) das rote Dreieck als verbotenes Kennzeichen der islamistischen Terrororganisation Hamas ein.
Die Fälle von Sachbeschädigung stiegen von 144 (2023) auf 379 (2024), Fälle von Volksverhetzung von 359 (2023) auf 525 (2024). Der überwiegende Teil der Fälle wurde dabei im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt registriert. 2023 waren es 533 Fälle, 2024 dann 1451 Fälle.
Die Fortbildung „Jüdisches Leben in Deutschland in Geschichte und Gegenwart– (Berliner Fortbildung Nr. 25.1-130058)“ – war eine Kooperations-Fortbildung zwischen der Bundesstiftung Aufarbeitung, der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Berlin mit dem VGD e.V. (Verband der Geschichtslehrerinnen und -Lehrer Deutschlands), Landesverbände Hamburg und Berlin und stieß daher auf große Resonanz, insbesondere, weil sie einen großen Bogen zur Geschichte des Judentums in Deutschland und in Europa spannte:
Judentum wird in Deutschland und auch in Europa häufig noch in erster Linie mit den Themen Verfolgung, Antisemitismus und Holocaust/Shoa in Verbindung gebracht. Doch das Kennenlernen der jüdischen Alltagskultur und des Wandels der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland seit der Wiedervereinigung ist von zentraler Bedeutung für die Zukunft der deutschen Gesellschaft und eine Chance, um Nichtwissen und Vorurteile abzubauen.
In der Fortbildung wurden daher zunächst von Dr. Helge Schröder mehrere Themenhefte für den Unterricht in Printform vorgestellt, erprobt und reflektiert, die schüler/-innengerechte Einführungstexte, vielfältiges Quellenmaterial und kompetenzorientierte Aufgabenformate enthalten. In der Diskussion des Materials wurde auch der Frage nach Antisemitismus in der DDR bzw. in den neuen Bundesländern nachgegangen – u.a. wies Dr. Peter Stolz auch auf die grundlegende Untersuchung von Bernd Wagner: Rechtsradikalismus in der Spät-DDR: Zur militant-nazistischen Radikalisierung. Wirkungen und Reaktionen in der DDR-Gesellschaft, Berlin 2014 hin.
Dr. Peter Stolz legte dann zur besseren Einordnung der aktuellen antijüdischen Diskurse die Definitionen von Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber zu Antijudaismus, Antizionismus, Antisemitismus und Israelfeindlichkeit vor, die auch im Unterricht bei aktuellen und historischen Diskussionen von Nutzen sind.
In einem zweiten Schritt zeigte er an unterrichtsrelevanten, didaktisierten Beispielen wie historisch-politische Bildung und die moderne Spielart des Judenhasses – der Antisemitismus in Aktualität und Geschichtlichkeit zusammenhängen: Zunächst ging es um den Beginn des Antisemitismus als „profane Ideologie des 19. Jhs.“ (Hannah Arendt) ab ca. 1870. Dann stand Europa als Zentrum des Antisemitismus im Fokus: An zwei Beispielen wurden antisemitische Bewegungen in Frankreich (Dreyfusaffäre) und Russland (Pogrome um 1880 ff.) im späten 19. Jh. skizziert.
Von Arthur Gobineaus Essai aus, wurden die Spielarten des modernen Rassismus (Houston Stewart Chamberlain et al) erläutert, danach wurde Europa unter der NS-Herrschaft und ihrer dominanten, antisemitischen Ideologie thesenartig beleuchtet (vgl. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/26/WW2_Holocaust_Europe_map-de.png).
Nach 1945 stand die Shoa und Deutschland im Zentrum (BRD / DDR) bis 1989 und dann das wiedervereinigte Deutschland ab 1990 bis 2023.
Im Teilbereich „Aktualität und Geschichtlichkeit“ ging es um den 7. Oktober 2023 und die Folgen in Deutschland und in Frankreich (Europa-Lernen) – vgl. dazu die beiden leider noch nicht ins Deutsche übersetzten Bücher von Gilles Kepel: Holocaustes, Plon, 2024 und Le bouleversement du monde. L’après 7 octobre, Plon, 2024.
Abschließend wurde in einer RLP-Synopse für Berlin und Brandenburg Sek I (Klassen 7-10) für die Fächer GESCHICHTE, ETHIK und POLITISCHE BILDUNG kurz erörtert, welche didaktischen Möglichkeiten sich für unseren Themenbereich hier eröffnen. Danach gab es eine angeregte, kontroverse Diskussion zwischen den Teilnehmenden und den Referenten, wie man dieses komplexe Thema „Jüdisches Leben in Deutschland in Geschichte und Gegenwart“ an Berliner Schulen unterrichten kann. Die Teilnehmer nahmen sehr viel Print-Material und auch digitales Material mit,
Dr. Peter Stolz hatte dazu eine Webseite für alle Teilnehmenden erstellt (https://fsstolz.wordpress.com/organisation/aktuelle-besuchsliste/ ). Insgesamt gab es sehr viel Lob für die gelungene Fortbildung.
Dr. Peter Stolz